Erklärung
gegen Kürzungspolitik
Hier der Ergänzungstext von Mikis
Theodorakis und Manolis Glezos
65
Jahre nach dem Sieg über Nazismus und Faschismus stehen die
europäischen Völker heute einer dramatischen
Bedrohung gegenüber,
dieses Mal nicht militärischer, sondern finanzieller, sozialer und
politischer Art.
Ein neues »Imperium des Geldes« hat in den
letzten 18 Monaten systematisch ein europäisches Land nach dem anderen
angegriffen, ohne substantiellen Widerstand zu erfahren. Den
europäischen Regierungen misslingt es nicht nur, die europäischen
Völker gegen die Märkte zu verteidigen, stattdessen versuchen sie, die
Märkte »zu beruhigen«, in dem sie Politiken einführen, die uns an die
Art und Weise erinnern, wie Regierungen versucht haben, dem Nazismus in
den
30ern zu begegnen. Sie organisieren »Schuldenkriege« zwischen den
Völkern Europas, genauso wie damals,
als sie von der belle époque bis
zum Ersten Weltkrieg getrieben wurden.
Die Marktoffensive begann
einen Krieg gegen Griechenland, einen EU-Mitgliedsstaat, dessen
Bevölkerung eine entscheidende Rolle im Widerstand gegen
Barbarei und
in der Befreiung Europas im Zweiten Weltkrieg gespielt hat.
Zu
Anfang war dieser Krieg ein Kommunikationskrieg, der uns an die
Kampagnen gegen feindliche, ausgestoßene Länder, wie Irak und
Jugoslawien, erinnerte. Diese Kampagne präsentierte Griechenland als
ein Land fauler und korrupter Bürgerinnen und Bürger, während sie
versucht, die »PIIGS« Europas und nicht die internationalen Banken für
die Schuldenkrise verantwortlich zu machen.
Schnell entwickelte
sich diese Offensive in eine finanzielle, die die Unterwerfung
Griechenlands unter einen Status der eingeschränkten Souveränität und
die Einmischung des IWF in die internen Angelegenheiten der Eurozone
verursachte.
Nachdem sie bekommen hatten, was sie von
Griechenland wollten, zielten die Märkte auf die anderen kleineren oder
größeren Länder in der europäischen Peripherie. Das Ziel ist in allen
Fällen ein und dasselbe: Die umfassende Gewährleistung der Interessen
der Banken gegenüber den Staaten, die Zerstörung des europäischen
Wohlfahrtstaates, der ein Grundpfeiler der europäischen Demokratie und
Kultur gewesen ist, die Zerstörung der europäischen Staaten und die
Unterwerfung der übrigen staatlichen Strukturen unter die neue
»Internationale des Geldes«.
Die EU, die ihren Völkern als ein
Instrument des kollektiven Fortschritts und der Demokratie präsentiert
wurde, tendiert dazu, das Instrument für die Beendigung von Wohlstand
und Demokratie zu werden. Sie wurde als ein Instrument des Widerstandes
gegen die Globalisierung eingeführt, aber die Märkte wünschen sie sich
als ein Instrument dieser Globalisierung.
Sie wurde dem
deutschen und anderen europäischen Völkern als ein Instrument der
friedvollen Mehrung ihrer Macht und ihres Wohlstandes vorgestellt, aber
die Art und Weise, wie alle Völker den Finanzmärkten als Opfer
vorgesetzt werden, zerstört das Bild von Europa und verwandelt die
Märkte in Akteure eines neuen Finanztotalitarismus, in die neuen Bosse
Europas.
Wir stehen momentan der Gefahr gegenüber, das
Finanzäquivalent des Ersten und Zweiten Weltkriegs auf unserem
Kontinent zu wiederholen und in Chaos und Zersetzung aufzugehen,
zugunsten eines internationalen Imperiums des Geldes und der Waffen, in
dessen ökonomischem Epizentrum die Macht der Märkte liegt.
Die
Völker Europas und der Welt stehen einer historisch noch nie
dagewesenen Konzentration von finanzieller, aber auch politischer und
medialer Macht durch das internationale Finanzkapital, d.i. einer
Handvoll von Finanzinstituten, Ratingagenturen und einer von ihnen
gekauften politischen und medialen Klasse, mit mehr Zentren
außerhalb als innerhalb Europas, gegenüber.
Das sind die Märkte,
die heute ein europäisches Land nach dem anderen angreifen, in dem sie
den Hebel der Verschuldung nutzen, um die europäischen Wohlfahrtstaaten
und die europäische Demokratie zu
zerstören.
Das »Imperium
des Geldes« fordert nun eine schnelle, gewaltsame und brutale
Transformation eines Eurozonenlandes, Griechenlands, in ein
Drittweltland durch ein sogenanntes »Rettungs«-Programm, welches
tatsächlich die »Rettung« der Banken ist, die dem Land Geld geliehen
haben.
In Griechenland hat die Allianz
der Banken und der politischen
Führungen – durch die EU, die EZB und den IWF – ein Programm verhängt,
dass einem »wirtschaftlichen und sozialen Mord« an diesem Land und
seiner Demokratie gleichkommt, und organisiert die Ausplünderung des
Landes vor dessen kalkuliertem Bankrott, mit dem Wunsch, das Land zum
Sündenbock der globalen Finanzkrise zu machen und es als ein
»Paradigma« zur Terrorisierung aller europäischen Völker zu nutzen.
Die
gegenwärtig in Griechenland ausgeübte Politik, die versucht sich
auszuweiten, ist die gleiche, die in Pinochets Chile, in Jelzins
Russland oder Argentinien angewandt wurde und sie wird die gleichen
Ergebnisse liefern, wenn sie nichtsofort unterbrochen wird.
Infolge
eines Programms, das angeblich beabsichtigt, dem Land zu helfen, ist
Griechenland jetzt an der Schwelle des wirtschaftlichen und sozialen
Desasters; es wird als ein Versuchskaninchen genutzt, die Reaktion der
Bevölkerung auf Sozialdarwinismus zu testen und die gesamte Europäische
Union damit in Schrecken zu versetzen, was einem ihrer Mitglieder
passieren kann.
Die Märkte können auch die deutsche Führung
bedrängen und dazu benutzen, die Zerstörung der Europäischen Union
voranzutreiben. Aber es stellt einen Akt extremer politischer und
historischer Blindheit für die herrschenden Kräfte in der EU und in
erster Linie für Deutschland dar, zu glauben, dass es irgendein Projekt
europäischer Integration oder auch nur einfacher Kooperation auf den
Ruinen eines oder mehrerer Mitglieder der Eurozone geben kann.
Die
geplante Zerstörung der großen, global bedeutenden politischen und
sozialen Errungenschaften der europäischen Völker kann keine Art von
Europäischer Union etablieren.
Dies wird zu Chaos und
Desintegration führen und das Aufkommen faschistischer Lösungen auf
unserem Kontinent fördern.2008 haben private Bankgiganten der Wall
Street die Staaten und staatliche Banken gezwungen, sie aus der Krise,
die sie selbst kreiert haben, freizukaufen, indem sie mit dem Geld der
Steuerzahler die Kosten ihres enormen Betrugs, wie etwa Hypotheken,
aber auch die operationellen Kosten eines in den letzten zwanzig Jahren
aufgezwungenen unregulierten Kasino-Kapitalismus, bezahlt haben. Sie
haben ihre eigene Krise in eine öffentliche Verschuldungskrise
verwandelt.
Jetzt nutzen sie die Krise und die Verschuldung,
die sie selbst kreiert haben, um die Staaten und ihre Bürgerinnen und
Bürger ihres noch wenigen übrig gebliebenen Einflusses zu berauben.
Dies
ist ein Teil der Schuldenkrise.
Der andere Teil ist, dass das
Finanzkapital
zusammen mit den politischen Kräften, die es global unterstützen, eine
Agenda der neoliberalen Globalisierung verhängt, die unweigerlich zu
einer Produktionsverlagerung außerhalb Europas und zu einer
absteigenden Annäherung der sozialen und ökologischen Standards Europas
mit denen der Dritten Welt führen wird. Für viele Jahre haben sie
diesen Prozess hinter Krediten versteckt, aber jetzt nutzen sie diese
Kredite, um ihn zu vollenden.
Die »Internationale des Geldes«,
die jeglichen Ansatz von Staaten in Europa vernichten möchte, bedroht
heute Griechenland und morgen Italien und Portugal. Sie fördert die
Konfrontation zwischen den Völkern Europas und stellt die EU vor das
Dilemma, sich entweder in eine Diktatur der Märkte zu wandeln oder sich
aufzulösen. Sie zielt darauf ab, Europa und die Welt in einen Zustand
ähnlich dem vor 1945 zu stürzen oder sogar in einen noch früheren vor
der Französischen Revolution oder der Aufklärung.
In früheren
Zeiten legte die sogenannte Seisachtheia-Reform, die Aufhebung der
Schulden durch Solon, die die Armen dazu zwang, die Sklaven der Reichen
zu werden, das Fundament für die Geburt des antiken Griechenland, der
Ideen vo Demokratie, Zivilgesellschaft, Politik und Europa, das
Fundament europäischer und Weltkultur.
Im Kampf gegen die Klasse
der Wohlhabenden ebneten die Bürger von Athen den Weg zur Verfassung
des Perikles und der politischen Philosophie des Protagoras, welcher
erklärte, dass »der Mensch das Maß aller Dinge« sei.
Heute
versuchen die wohlhabenden Klassen diesen menschlichen Geist zu ahnden:
»Die Märkte sind das Maß aller Dinge« ist das Motto, das unsere
politische Führung bereitwillig unterstützt, in einer Allianz mit dem
Teufel des Geldes, gerade so wie Faust dies tat.
Eine Handvoll
internationaler Banken, Ratingagenturen, Investmentfonds – eine globale
Konzentration des Finanzkapitals ohne historischen Vergleich – möchte
in Europa und der Welt die Macht an sich reißen und bereitet sich auf
eine Beseitigung der Staaten und unserer Demokratie vor, indem es die
Waffe der Schulden nutzt, um die Völker Europas zu versklaven und
anstelle der unvollständigen Demokratie, in der wir leben, eine
Diktatur des Geldes und der Banken zu errichten; die Macht des
totalitären Empires der Globalisierung, dessen politisches Zentrum sich
außerhalb Kontinentaleuropas befindet, trotz des Bestehens mächtiger
Banken im Herzen dieses Empires.
Sie begannen in Griechenland,
indem sie es als ein Versuchskaninchen benutzten, um sich dann zu
anderen Ländern an der europäischen Peripherie fortzubewegen und sich
langsam dem Zentrum zu nähern. Die Hoffnung einiger europäischer
Länder, dem letztendlich zu entkommen, zeigt nur, dass die europäische
Führung von heute gegen die Bedrohung eines neuen »Finanzfaschismus«
nicht besser gewappnet ist, als gegen die Bedrohung durch Hitler
während der Zeit zwischen den Weltkriegen.
Es ist kein Zufall,
dass ein großer Teil der von Bankern kontrollierten Medien sich
entschlossen, die europäische Peripherie anzugreifen, in dem sie diese
Länder als »Schweine« betitelten und eine verachtenswerte, sadistische
und rassistische Medienkampagne starteten, nicht nur gegen die
Griechen, sondern auch gegen das Erbe des antiken Griechenland und der
antiken griechischen Zivilisation. Dieser Fokus zeigt die tieferen,
dahinter liegenden Ziele dieser Ideologie und der Werte des
Finanzkapitals, welches einen zerstörerischen Kapitalismus vorantreibt.
Der
Versuch eines Teils der deutschen Medien, Symbole wie die Akropolis
oder die Venus von Milo zu verunglimpfen, Monumente also, die selbst
von Hitlers Offizieren respektiert wurden, ist nichts weiter als der
Ausdruck der tiefen Verachtung der Banker, die diese Medien
kontrollieren; nicht so sehr gegen die Griechen, sondern hauptsächlich
gegen die Ideen der Freiheit und Demokratie, welche in diesem Land ihre
Geburtsstunde hatten.
Das Finanzmonster hat für das Kapital vier
Jahrzehnte der Steuerfreiheit geschaffen, alle möglichen Arten von
»Marktliberalisierung«, weitverbreitete Deregulierung, Aufhebung aller
Barrieren des Kapital- und Warenflusses, permanente Angriffe auf den
Staat, massive Übernahme von politischen Parteien und Medien, im Besitz
des globalen Überschusses einer Handvoll von »Vampirbanken« der Wall
Street.
Jetzt wurde aufgedeckt, dass
dieses Monster, ein wahrer »Staat
hinter den Staaten«, versucht, den finanziellen und politischen
»dauerhaften coup d’état« zu vollenden, welcher seit vier Jahrzehnten
vorbereitet wird.
Diesem Angriff unmittelbar ausgesetzt,
scheinen die politischen Kräfte des europäischen rechten Flügels und
der Sozialdemokratie kompromittiert, angesichts von Jahrzehnten des
Hereindrängens des Finanzkapitals, dessen wichtigste Zentren sich nicht
in Europa befinden.
Es besteht der dringende Bedarf an
unmittelbarer, grenzüberschreitender Koordinierung aller Aktionen von
Intellektuellen, Künstlern und Künstlerinnen, spontanen Bewegungen,
sozialen Kräften und Persönlichkeiten, die die Bedeutung der Lage
erkennen; wir müssen eine mächtige Widerstandsfront gegen das nahende
»totalitäre Empire der Globalisierung« aufstellen, bevor es zu spät ist.
Jeder
kann diese Initiative unterstützen.
Wer unterzeichnen möchte bitte
Angaben
direkt per e-mail an
info@koalition-des-widerstands.de
LINKS:
http://www.coalitionofresistance.org.uk/2012/10/peoplespetition/
http://www.coalitionofresistance.org.uk/2012/02/appeal-for-solidarity-with-the-people-of-greece-unterschriftenaktion-solidaritat-mit-griechenland/
http://www.coalitionofresistance.org.uk/2012/01/common-appeal-for-the-rescue-of-the-peoples-of-europe/
http://www.diether-dehm.de/images/stories/files/Folder_Appell.pdf
http://de.european-left.org/deutsch/aktuelles/theodorakis_und_glezos_appell_fuer_die_rettung_der_voelker_europas/
http://de.european-left.org/fileadmin/downloads/News/2011/Theodorakis_Gelezos-Appeal_Names_DE_final.pdf
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